Positionspapier des Bundesausschusses Friedensratschlag– Juni 2022

Hintergründe und Lüsungsperspektiven des Ukraine-Krieges

Die Hoffnungen vieler nach dem Ende des Kalten Krieges auf eine friedlichere Welt haben sich nicht erfüllt. Durchgängig herrschte in den letzten Jahren in über 30 Ländern weltweit Krieg. Wirtschaftliche Er­pres­sungs­politik, Blockaden und Handelskriege zerstö­ren weltweit ökono­mische und ökologische Existenz­grund­lagen. Immer mehr Menschen sind wegen Krieg, Armut und Umweltzerstörung auf der Flucht. Mit der Ukraine kam ein weiterer Krieg hinzu, mit drama­tischen Auswirkungen auf Europa und die ganze Welt.

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Die zunehmende Bedrohung durch Nuklearwaffen

Der Ukraine-Krieg und die zunehmende Bedrohung durch Nuklearwaffen

18. Juni 2022 Klaus-Dieter Kolenda

Redebeitrag anläßlich der Protestaktion gegen Baltops 2022 am Flandernbunker vor der Tirpitzmole über die neue atomare Aufrüstung

Als Mitglied der Kieler Gruppe der IPPNW, das ist die Abkürzung für die Organisation "Internationale Ärztinnen und Ärzte gegen den Atomkrieg und für soziale Verantwortung", die 1985 den Friedensnobelpreis erhalten hat, möchte nachdrücklich auf die uns alle bedrohende Atomkriegsgefahr hinweisen, die mit dem seit Monaten tobenden Ukraine-Krieg verbunden ist.

Der renommierte US-Politologe John Mearsheimer gehört zu den Wissenschaftlern, die sagen, dass für die seit 2014 schwelende Ukraine-Krise der Westen die Hauptverantwortung trägt und es sich bei dem Ukraine-Krieg im Grunde um einen Krieg zwischen den USA und Russland handelt, mit den Ukrainern als Stellvertreter auf dem Schlachtfeld.

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Ursache der Krise sei, dass die US-Regierung die Ukraine in die Nato aufnehmen und Russland in die Knie zu zwingen will. Mearsheimer und andere Analysten warnen vor den Folgen: Es sei die gefährlichste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, die zu einem Atomkrieg eskalieren könne.

Die Atomkriegsgefahr ist wieder real

Im jährlichen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri, der kürzlich veröffentlicht wurde, ist von einem beunruhigenden Trend die Rede: Dem Papier zufolge hat das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes nun den höchsten Stand seit den Zeiten des Kalten Krieges erreicht

Laut dem Bericht der Organisation besitzen Russland und die USA mit einer Anzahl von jeweils rund 6.000 zusammen über 90 Prozent aller in der Welt vorhandenen Nuklearwaffen.

Alle neun Atommächte seien entweder dabei, neue Waffensysteme zu entwickeln und zu stationieren, oder hätten dies angekündigt. China erweitere derzeit sein Atomwaffenarsenal beträchtlich, was Satellitenbildern zufolge auch den Bau von über 300 neuen Raketensilos umfasst. Experten gehen daher davon aus, dass die Zahl der Atomwaffen auf der Welt in den nächsten zehn Jahren weiter zunehmen wird.

Obwohl im vergangenen Jahr mit dem Inkraftsetzen des Atomwaffenverbotsvertrags, auf den ich am Schluss noch kurz eingehen werde, bei der weltweiten Kontrolle der Atomwaffen ein Fortschritt erzielt wurde, ist nach Einschätzung des Sipri-Direktors das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen heute höher als jemals zuvor seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges 1991. Der Grund dafür ist die zunehmende Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Atommächten der Welt.

Kuba-Krise 1962

Ich gehöre zu der älteren Generation, deren Angehörige sich aus eigenem Erleben noch an die dramatischen Tage der Kuba-Krise im Oktober und November 1962 erinnern können.

Diese Krise zwischen den beiden damaligen Supermächten USA und Sowjetunion wurde durch einen Kompromiss beendet, bei dem Nikita Chruschtschow die von den USA als bedrohlich angesehenen russischen Raketen in Kuba abzog und im Gegenzug John F. Kennedy auf entsprechende in der Türkei stationierte Atomraketen verzichtete.

Wir wissen heute, dass dieser Kompromiss, der 1962 eine atomare Katastrophe gerade noch verhindert hat, das Ergebnis einer mündlichen Absprache zwischen den beiden verantwortlichen Politikern hinter dem Rücken der Militärs und der Geheimdienste gewesen ist. Deshalb war ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen Voraussetzung für ein derartiges Übereinkommen.

Dieses notwendige Vertrauen auf Seiten Russlands ist durch die Politik der Nato-Osterweiterung seit 1999, durch eine in den letzten Jahren ständig zunehmende und zuletzt maßlose russlandfeindliche Propaganda in unseren Hauptmedien und durch die beispiellosen Wirtschaftssanktionen des Westens gegenüber Russland jedoch weitgehend zerstört worden.

Man fragt sich, wie auf dieser Basis noch vernünftige Gespräche bei den hoffentlich bald beginnenden Friedensverhandlungen zwischen den Verantwortlichen beider Seiten zu führen sind, mit dem dieser schreckliche Krieg in der Ukraine beendet

Protest gegen BALTOPS 2022 + Open Ship

Protest gegen BALTOPS 2022 + Open Ship

Mit dem Einlaufen in den Kieler Militärhafen endet in dieser Woche die diesjährige NATO-Marineübung Baltops 2022.14 NATO- und zwei Partnernationen sind mit mehreren Dutzend Kriegsschiffen, darunter der kolossale Hubschrauberträger  Kearsage, der wegen seiner Größe in der Förde ankern muss. 

In diesem Jahr ist die Beteiligung wegen des Ukraine Krieges besonders groß. Für den 18. und 19. Juni ist in diesem Jahr wieder Open Ship geplant. 

Übungen wie Baltops  dürfen nicht isoliert betrachtet werden, denn sie sind Teil einer militärischen Neuausrichtung der NATO: nämlich Dominanz in allen Bereichen zu demonstrieren, vor allem gegenüber Russland. Gerade in der derzeitigen militärisch angespannten Situation dienen Übungen wie Baltops nicht der dringend notwendigen Deeskalation. Nicht unerheblich ist auch die Klima- und Umweltbelastung einer solchen Ansammlung von Kriegsschiffen während der rund 14tägigen Übung auf der Ostsee. Deshalb ruft das Kieler Friedensforum und ein Bündnis aus Friedensgruppen und Organisationen auf zur Protestkundgebung am 18. Juni 2021, um 14 Uhr im Bereich vor dem Flandernbunker. Im Anschluss an die Kundgebung bilden die Teilnehmenden eine Menschenkette an der Tirpitzmole. Bereits um 12 Uhr treffen sich Radfahrer*innen beim Werk von Rheinmetall, um dann gemeinsam zum Flandernbunker zu radeln.

Flyer

Offener Brief an Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Str. 1

10557 Berlin

 

21.04.2022

Offener Brief

Deeskalation jetzt!

Dem Schutz der Bevölkerung Vorrang einräumen!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,

wir sind Menschen unterschiedlicher Herkunft, politischer Einstellungen und Positionen gegenüber der Politik der NATO, Russlands und der Bundesregierung. Wir alle verurteilen zutiefst diesen durch nichts zu rechtfertigenden Krieg Russlands in der Ukraine. Uns eint, dass wir gemeinsam vor einer unbeherrschbaren Ausweitung des Krieges mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Welt warnen und uns gegen eine Verlängerung des Krieges und Blutvergießens mit Waffenlieferungen einsetzen. 

Mit der Lieferung von Waffen haben sich Deutschland und weitere NATO-Staaten de facto zur Kriegspartei gemacht. Und somit ist die Ukraine auch zum Schlachtfeld für den sich seit Jahren zuspitzenden Konflikt zwischen der NATO und Russland über die Sicherheitsordnung in Europa geworden.

Dieser brutale Krieg mitten in Europa wird auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung ausgetragen.  Der nun entfesselte Wirtschaftskrieg gefährdet gleichzeitig die Versorgung der Menschen in Russland und vieler armer Länder weltweit. 

Berichte über Kriegsverbrechen häufen sich. Auch wenn sie unter den herrschenden Bedingungen schwer zu verifizieren sind, so ist davon auszugehen, dass in diesem Krieg, wie in anderen zuvor, Gräueltaten begangen werden und die Brutalität mit seiner Dauer zunimmt. Ein Grund mehr, ihn rasch zu beenden.

Der Krieg birgt die reale Gefahr einer Ausweitung und nicht mehr zu kontrollierenden militärischen Eskalation ‒ ähnlich der im Ersten Weltkrieg. Es werden Rote Linien gezogen, die dann von Akteuren und Hasardeuren auf beiden Seiten übertreten werden, und die Spirale ist wieder eine Stufe weiter. Wenn Verantwortung tragende Menschen wie Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, diese Entwicklung nicht stoppen, steht am Ende wieder der ganz große Krieg. Nur diesmal mit Atomwaffen, weitreichender Verwüstung und dem Ende der menschlichen Zivilisation. Die Vermeidung von immer mehr Opfern, Zerstörungen und einer weiteren gefährlichen Eskalation muss daher absoluten Vorrang haben.

Trotz zwischenzeitlicher Erfolgsmeldungen der ukrainischen Armee: Sie ist der russischen weit unterlegen und hat kaum eine Chance, diesen Krieg zu gewinnen. Der Preis eines längeren militärischen Widerstands wird ‒ unabhängig von einem möglichen Erfolg ‒ noch mehr zerstörte Städte und Dörfer und noch größere Opfer unter der ukrainischen Bevölkerung sein. Waffenlieferungen und militärische Unterstützung durch die NATO verlängern den Krieg und rücken eine diplomatische Lösung in weite Ferne. 

Es ist richtig, die Forderung „Die Waffen nieder!“ in erste Linie an die russische Seite zu stellen. Doch müssen gleichzeitig weitere Schritte unternommen werden, das Blutvergießen und die Vertreibung der Menschen so schnell wie möglich zu beenden. 

So bitter das Zurückweichen vor völkerrechtswidriger Gewalt auch ist, es ist die einzig realistische und humane Alternative zu einem langen zermürbenden Krieg. Der erste und wichtigste Schritt dazu wäre ein Stopp aller Waffenlieferungen in die Ukraine, verbunden mit einem auszuhandelnden sofortigen Waffenstillstand.

Wir fordern daher die Bundesregierung, die EU- und NATO-Staaten auf, die Waffenlieferungen an die ukrainischen Truppen einzustellen und die Regierung in Kiew zu ermutigen, den militärischen Widerstand ‒ gegen die Zusicherung von Verhandlungen über einen Waffenstillstand und eine politische Lösung ‒ zu beenden. Die bereits von Präsident Selenskyi ins Gespräch gebrachten Angebote an Moskau ‒ mögliche Neutralität, Einigung über die Anerkennung der Krim und Referenden über den zukünftigen Status der Donbass-Republiken ‒ bieten dazu eine reelle Chance.

Verhandlungen über den raschen Rückzug der russischen Truppen und die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine sollten durch eigene Vorschläge der NATO-Staaten bezüglich berechtigter Sicherheitsinteressen Russlands und seinen Nachbarstaaten unterstützt werden.

Um jetzt weitere massive Zerstörungen der Städte so schnell wie möglich zu stoppen und Waffenstillstandsverhandlungen zu beschleunigen, sollte die Bundesregierung anregen, dass sich die derzeit belagerten, am meisten gefährdeten und bisher weitgehend unzerstörten Städte, wie Kiew, Charkiw und Odessa zu „unverteidigten Städten“ gemäß dem I. Zusatzprotokoll des Genfer Abkommen von 1949 erklären. Durch das bereits in der Haager Landkriegsordnung definierte Konzept konnten im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Städte ihre Verwüstung verhindern.

Die vorherrschende Kriegslogik muss durch eine mutige Friedenslogik ersetzt und eine neue europäische und globale Friedensarchitektur unter Einschluss Russlands und Chinas geschaffen werden. Unser Land darf hier nicht am Rand stehen, sondern muss eine aktive Rolle einnehmen.

Hochachtungsvoll,

PD Dr. Johannes M. Becker, Politologe, ehem. Geschäftsführer des Zentrums für
Konfliktforschung in Marburg

Daniela Dahn, Journalistin, Schriftstellerin und Publizistin, Pen-Mitglied

Dr. Rolf Gössner, Rechtsanwalt und Publizist, Internationale Liga für Menschenrechte

Jürgen Grässlin, Bundessprecher DFG-VK und Aktion Aufschrei ‒ Stoppt den Waffenhandel!

Joachim Guilliard, Publizist

Dr. Luc Jochimsen, Journalistin, Fernsehredakteurin, MdB 2005-2013

Christoph Krämer, Chirurg, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges IPPNW (deutsche Sektion)

Prof. Dr. Karin Kulow, Politikwissenschaftlerin

Dr. Helmut Lohrer, Arzt, International Councilor, IPPNW (deutsche Sektion)

Prof. Dr. Mohssen Massarrat, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler

Dr. Hans Misselwitz, Grundwertekommission der SPD

Ruth Misselwitz, evangelische Theologin, ehem. Vorsitzende von Aktion Sühnezeichen
Friedensdienste

Prof. Dr. Norman Paech, Völkerrechtler, ehem. Mitglied des Deutschen Bundestages

Prof. Dr. Werner Ruf, Politikwissenschaftler und Soziologe

Prof. Dr. Gert Sommer, Psychologe, ehem. Direktoriummitglied des Zentrums für
Konfliktforschung in Marburg

Hans Christoph Graf von Sponeck, ehem. Beigeordneter Generalsekretär der UNO

Dr. Antje Vollmer, ehem. Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages

Konstantin Wecker, Musiker, Komponist und Autor

 Brief als PDF

Ostermarsch 2022-Nachlese

Kieler Nachrichten vom 19. April 2022:

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Sie hoffen weiter auf eine Welt ohne Waffen

Mehrere hundert Teilnehmer kamen zum Ostermarsch in Kiel – Ruf nach mehr Dialog und Deeskalation

Kiel. Seit vier Jahrzehnten geht Benno Stahn (71), Gründer des Kieler Friedensforums, auf die Straße: Ende der 80er-Jahre gegen Atomraketen, dann gegen die Kriege in Afghanistan, Libyen und Jugoslawien. Doch der Ukraine Krieg sei für ihn der Schlimmste. „Das Friedensforum fordert mehr Dialog und Deeskalation“, sagte er vor mehreren hundert Menschen, die sich am Sonnabend am Ostermarsch 2022 in Kiel beteiligten.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand in diesem Jahr die russische Invasion in die Ukraine, die das Kieler Friedensforum klar verurteilt. „Wir wollen Abrüstung statt immer mehr Waffen. Es kann nicht sein, dass Parteien, die wir mal als Friedensparteien gewählt haben, jetzt für eine Erhöhung des Rüstungshaushalts und für das 100 Milliarden Projekt stimmen“, sagte Stahn in seiner Rede. Das würde den Krieg nur unnötig in die Länge ziehen. Stattdessen fordert das Bündnis „eine friedliche Beilegung dieses Konflikts, und einen Gesichtswahrenden Kompromiss aller am Konflikt beteiligten“. Wie das angesichts der Brutalität des russischen Vorgehens und der völkerrechtswidrigen Annexionspläne Moskaus gelingen könnte, blieb aber unklar.

 

Als beunruhigend empfände Stahn jedoch die Stimmung im Land: „Die verständliche Wut und das Entsetzen wegen des Kriegs nehmen zu, die grausamen Taten nehmen kein Ende“, sagte Stahn. Leider richte sich die Wut nicht immer an die Verantwortlichen. Er warf Medien vor, mit einer einseitigen Parteinahme die russenfeindliche Stimmung zu schüren.

„Wir stehen in tiefer Verbundenheit und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine. Herr Putin, stoppen Sie den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine und zwar sofort“, forderte Susanne Schöttke, Landesbezirksleiterin Nord der Gewerkschaft Verdi. Es gebe sehr enge Beziehungen zu einer Reihe von ukrainischen Gewerkschaften, insbesondere im öffentlichen Sektor und der Seefahrt. Von den Kolleginnen und Kollegen kämen täglich Hilferufe und Nachrichten über Kriegsverbrechen, Millionen von Menschen seien auf der Flucht. „Wir müssen die europäischen Grenzen gemeinsam offenhalten, um den Geflüchteten ausnahmslos helfen zu können“, sagte sie. Respekt und Solidarität würden aber nicht nur den bedrohten Menschen in der Ukraine gehören, sondern auch den Menschen in Russland und Belarus, die sich gegen diesen Krieg stellen.

Es wachse die Angst, dass der Krieg auf ganz Europa übergreife, die Nato zur Kriegspartei werde und letztlich ein Atomkrieg ausbrechen könne. „Eine Welt, die bis auf die Zähne bewaffnet ist, wird auf Dauer keinen Frieden bringen“, sagte sie. Die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes auf dauerhaft 2 Prozent lehnt die Gewerkschaft ab, ebenso den Plan über das Sondervermögen von 100 Milliarden für Rüstungsgüter. Es sei völlig klar, dass die Bundeswehr so ausgestattet sein müsse, dass sie ihrem Auftrag als Verteidigungsarmee gerecht werden kann. „Als ver.di sind wir für die Bundeswehr die zuständige Gewerkschaft. Wir wissen, dass allein schon bei Ausrüstung und auch der Tarifbindung Einiges im Argen liegt“, so Schöttke. 

Frauke Stoltenberg-Goecke nahm teil, „um sich für einen menschlichen Weg einzusetzen. Krieg bedeutet immer Entmenschlichung“. Ulrike Schlenz war dabei, „um ein Zeichen zu setzen, dass dieser Krieg beendet werden soll. Ich bin entsetzt“. Und Birgitta Henrich, die sowohl die deutsche als auch die schwedische Staatsbürgerschaft hat, möchte „Schwedens Neutralität bewahren. Ich bin gegen einen Eintritt in die Nato.“ Marlis Rathje marschierte mit, um nicht nur gegen den Ukraine-Krieg zu demonstrieren, sondern auch „gegen die 19 andere Kriege wie beispielsweise in Kurdistan, Syrien oder Jemen, über die wir gar nicht reden“, sagte sie. Unter den Teilnehmern waren auch etliche Kinder und Jugendliche wie die zehnjährige Tani. „Ich wünsche mir eine bessere Welt, eine ohne Krieg.“

Quellenangabe: Kieler Nachrichten vom 19.04.2022, Seite 24
 
Redebeiträge:
 
Susanne Schöttke, Landesbezirksleiterin ver.di-Nord
Liebe Kolleg*innen und liebe Friedensfreund*innen

das zentrale Thema unseres Ostermarsches ist leider ein tief Trauriges. Wir stehen in tiefer Verbundenheit und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und fordern: Herr Putin, stoppen Sie diesen völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine – und zwar sofort!

Bis zum Morgen des 24. Februar, bis zum vom russischen Präsidenten Putin angeordneten Überfall der russischen Armee auf die Ukraine, hatte ich gehofft und auch erwartet, dass dieser Krieg durch Verhandlungen abgewendet werden kann.
Und ich hätte nicht erwartet, dass Putin so weit geht, einen Angriffskrieg mitten in Europa zu beginnen. Das ist eindeutig und eklatant völkerrechtswidrig und durch nichts zu rechtfertigen.

Liebe Friedensfreund*innen - Was wir in der Ukraine erleben, ist eine humanitäre Katastrophe, von der vor allem die Zivilbevölkerung betroffen ist. 

Wir haben sehr enge Beziehungen zu einer Reihe von ukrainischen Gewerkschaften, insbesondere im öffentlichen Sektor und der Seefahrt. Es gibt auch konkrete gemeinsame Projekte, zum Beispiel in Odessa, die ver.di seit Jahren unterstützt.
Es erreichen uns jeden Tag Hilferufe der Kolleginnen und Kollegen. Die Gewerkschaftshäuser in den Teilen der Ukraine, in denen der Krieg noch nicht tobt, sind wichtige Anlauf- und Versorgungsstellen für Geflüchtete.
Täglich erreichen uns -auch von dort- neue Nachrichten über Kriegsverbrechen. Wir wissen: hunderttausende Menschen sind eingekesselt und leiden Hunger. Die Zahl der Todesopfer und Verletzten steigt unablässig. In den Kriegsgebieten steht die medizinische Versorgung vor dem Zusammenbruch. Millionen von Menschen sind auf der Flucht und müssen rasch sichere Unterkunft finden.
Wir müssen die europäischen Grenzen gemeinsam offenhalten, um den Geflüchteten ausnahmslos helfen zu können. 

Es sind unerträgliche Schreckensmeldungen, die bei uns ankommen. Sie zeigen mit entsetzlicher Klarheit: Krieg und militärische Aggression dürfen niemals Mittel der Politik sein. Unser Respekt und unsere Solidarität gehören den bedrohten Menschen in der Ukraine, die ihre Freiheit verteidigen. Unser Respekt und unsere Solidarität gehören aber auch den Menschen in Russland und Belarus, die sich gegen diesen Krieg stellen.

Viele von uns empfinden Wut und Verzweiflung, Trauer und Angst. Angst davor, dass dieser Krieg auf ganz Europa übergreift und dass die NATO zur Kriegspartei wird: Mehr noch: Dass letztlich ein Atomkrieg ausbrechen kann.

Daher stehen wir heute Seite an Seite, um ein starkes Zeichen zu setzen: 

für eine europäische und internationale Friedensordnung, die auf den Prinzipien der Freiheit, der Wahrung der Menschenrechte, der Selbstbestimmung und der Gerechtigkeit beruht. 

Der schreckliche Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist ein beispielloser Angriff auf diese Friedensordnung, ein eklatanter Völkerrechtsbruch und durch nichts zu rechtfertigen. Wir verurteilen den Gewaltakt der russischen Führung auf das Schärfste und fordern sie dazu auf, die Angriffe sofort einzustellen, ihre Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen und die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine anzuerkennen. 

Die unfassbaren und schrecklichen Kriegsverbrechen müssen dokumentiert werden. Die Verantwortlichen müssen dafür vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Rechenschaft gezogen werden!

Wir setzen bei diesem Ostermarsch ein starkes Zeichen für den Frieden und appellieren an die internationale Staatengemeinschaft: lassen Sie nicht nach, an einer diplomatischen Lösung für einen Waffenstillstand und einer Beendigung des Krieges zu arbeiten – nicht zuletzt mit dem Ziel, für alle beteiligten Parteien Perspektiven auf eine neue gesamteuropäische Architektur der gemeinsamen Sicherheit zu eröffnen. 

Liebe Kolleg*innen, liebe Friedensfreund*innen

die Gewerkschaften sind ein wichtiger Teil der Friedensbewegung. Wir wollen nicht, dass militärisches Denken und Handeln unsere Zukunft bestimmt. Deswegen darf die politische Antwort auf die russische Aggression kein neuer Rüstungswettlauf sein.  

Der Bundeskanzler hat in Reaktion auf Putins Angriffskrieg ein milliardenschweres Ausrüstung- und Aufrüstungsprogramm angekündigt. Deutschland soll zukünftig 2% seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben. Damit steigen die Militärausgaben um jährlich weitere 25 Mrd Euro. In diesem Zusammenhang steht auch, dass über eine Grundgesetzänderung ein Sondervermögen von 100 Mrd Euro geschaffen werden soll, um zweckgebunden Rüstungsgüter für die Bundeswehr zu kaufen. Es ist klar, dass die Bundeswehr so ausgestattet sein muss, dass sie ihrem Auftrag als Verteidigungsarmee gerecht werden kann. Als ver.di sind wir für die Bundeswehr die zuständige Gewerkschaft. Wir wissen, dass allein schon bei Ausrüstung und auch der Tarifbindung Einiges im Argen liegt.
Die Erhöhung aber des Verteidigungshaushaltes auf dauerhaft 2% lehnen wir. Und ebenso den Plan, über ein Sondervermögen von 100 Mrd zweckgebunden Rüstungsgüter zu beschaffen. Für uns ist klar: Die Diskussion um mehr Sicherheit in Europa darf nicht in erster Linie aus einer militärischen Perspektive geführt werden.
Unser Ziel bleibt eine Welt mit weniger Waffen. Wir wollen Abrüstung, insbesondere atomare Abrüstung. 

Wir wollen keinen neuen Rüstungswettlauf. Machen wir uns nichts vor: dieser würde auch dazu führen, dass Gelder für die dringlichen Investitionen in den sozial-ökologischen Umbau fehlen und dem Sozialstaat entzogen werden. Gemeinsam mit dem DGB und seinen weiteren Mitgliedsgewerkschaften kämpfen wir dafür, dass die militärische Friedenssicherung nicht zulasten des sozialen Friedens erkauft werden darf.

Unsere Perspektive ist ein Europa mit einer erweiterten gemeinsamen Sicherheit aller Mitglieds- und Nachbarländer, die auch soziale und ökologische Nachhaltigkeit einschließt und damit auch unseren Kindern und Enkeln einen lebenswerten Planeten bewahrt!

Heute zum Ostermarsch in Kiel stehen wir hier gemeinsam – und unsere Botschaft lautet: Stoppt den Krieg! Frieden und Solidarität für die Menschen in der Ukraine! Gegen eine neue Politik der militärischen Konfrontation und des Wettrüstens! 

Nie wieder Krieg - weltweit!

 

Benno Stahn, Kieler Friedensforum

Wir sind immer noch entsetzt und manchmal sprachlos über den unter Bruch des Völkerrechts geführten Krieg in der Ukraine. Die entsetzlichen Bilder verfolgen uns bis in den Schlaf. Wir wollen uns nicht daran gewöhnen. Auch die Bilder aus den jüngeren Kriegen (Afghanistan, Syrien Jemen) zeigen, Krieg ist ein Verbrechen und gebiert Unrecht

Deshalb waren und sind wir der Überzeugung: Krieg kann kein Mittel der Politik sein. Mit Bertha von Suttner sagen wir: Die Waffen nieder!

Krieg ist auch immer eine Niederlage der Diplomatie. Wir fordern alle Seiten auf, zur Diplomatie und zum Völkerrecht zurückzukehren. Die Kriegshandlungen müssen gestoppt werden – sofort, auf beiden Seiten.

Stattdessen liefern Deutschland und andere Staaten Kriegsgerät in die Region, jetzt wird sogar die Lieferung schweren Gerätes diskutiert. Deutschland ist oder wird damit Kriegspartei in diesem Konflikt! Das ist ein dilettantisches und leichtfertiges Spiel mit dem Feuer. Unsere Solidarität und Hochachtung gilt den italienischen Frachtarbeitern, die sich weigerten, Kriegsgerät für die Ukraine zu verladen.

Die deutsche Haltung trägt nicht zur Deeskalation bei und das beunruhigt uns. Es genügt ein Funke, um Europa in eine apokalyptische Situation zu bringen. Mit den Waffenlieferungen wird der Krieg zunehmend eine militärische Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland.

Der Ukraine-Krieg war für Deutschland willkommener Anlass, ein gigantisches Militärprojekt aufzulegen. Für Projekte, die wegen ihrer Gefährlichkeit und Kosten vorher schwer zu vermitteln gewesen wären

- F 35 Kampfbomber, zur Aufrechterhaltung der Nukl. Teilhabe

- ein superteures neues Raketenabwehrsystem (Iron Dome)

- bewaffnete Drohnen

- teure Kriegsschiffe, Hubschrauber  - insgesamt ein gigantisches Konjunkturprogramm für die Militärindustrie. Aber sie sind gefährlich, sinnlos teuer.

Es ist doch Unsinn, zu glauben, dass mehr Waffen die Welt sicherer macht. Unser Problem ist doch nicht, dass es zu wenig Waffen gibt, sondern zu viel.

Das zu schaffende Sondervermögen von 100 Mrd. Euro ist nichts anderes als eine Militarisierung mit Verfassungsrang. Das dürfen wir nicht zulassen. Das sind Steuergelder, das ist unser Geld, das überall gebraucht wird, im Gesundheitswesen, Schulen, zu Armutsbekämpfung, aber zur Entwicklung neuer Technologien wie die Wasserstofftechnologie

Aber das meinte Scholz nicht als er von einer Zeitenwende sprach und sich feiern im Bundestag ließ für diesen Aufrüstungsschub. Gleichzeitig greift man uns schamlos ins Portemonnaie mit ungerechtfertigten Preiserhöhungen bei Lebensmitteln, Energiekosten und allem, was zum Lebensunterhalt wichtig ist.

Zum Glück formiert sich Widerstand, von gewerkschaftlicher Seite aber auch aus dem Bundestag. Der Appell Nein zum Krieg – keine Hochrüstung ins Grundgesetz wurde von 600 mehr oder weniger prominannten Menschen erstunterzeichnet, mittlerweile haben ihn an die 50.000. Menschen untershcrieben.

Wir wollen Abrüstung statt immer mehr Waffen. Es kann nicht sein, dass Parteien, die wir mal als Friedensparteien gewählt haben, jetzt für eine Erhöhung des Rüstungshaushalts und für das 100 Milliarden Projekt stimmen.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu einer beunruhigenden Entwicklung, was die Stimmung in unserem Land angeht: Die verständliche Wut und das Entsetzen über den Krieg in der Ukraine nehmen zu - die grausamen Taten nehmen kein Ende. Unsere Gedanken und unser Mitgefühlt gilt den Opfern auf allen Seiten.

Leider richtet sich die Wut nicht immer an die Verantwortlichen. Die vor allem von den Medien geschürte einseitige Parteinahme in dem aktuellen Krieg führt zu einer zunehmend antislawische und russenfeindliche Stimmung, die teilweise rassistische Züge annimmt. Es ist schon zu Übergriffen und Anpöbelungen von unter uns lebenden russischstämmigen Menschen gekommen. Das dürfen wir nicht zulassen. 

Die diesjährigen Ostermärsche wurden im Vorfeld diffamiert - wegen ihrer vermeintlichen Parteinahme für Russland: Graf Lambsdorff bezeichnete die Ostermarschierer als Fünfte Kolonne Wladimir Putins. Aber wir sind Diffamierungen gewohnt, sie zeigen auch, wie ernst man uns nimmt und wie wichtig wir sind. 

Von den diesjährigen Ostermärschen geht das Signal aus: Wir fordern jetzt und sofort das Ende aller Kampfhandlungen für alle Kriege, die wir derzeit erleben müssen.

Ich schließe mit einem Wort der großen Esther Bejarano:

„Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht. Seid solidarisch! Helft einander! 

Achtet auf die Schwächsten! Bleibt mutig!. Ich vertraue auf die Jugend,

ich vertraue auf euch! Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“

 

Bettina Jürgensen, marxistische linke Kiel:

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ostermarsch in Kiel, liebe Zuhörende,

Seit den 60er Jahren gibt es die Ostermärsche.
Die Kriege und Kriegsherde auf dieser Welt waren auch nach den Weltkriegen nie ausgelöscht. Die Rüstungsindustrie hat weiter militärische Produktion betrieben und daran immer gut verdient. Doch viele Menschen wähnten sich in einigermaßen Ruhe.

Die Kriege sind weit entfernt, oft ist der Hintergrund des Krieges nicht bekannt, muss sich „erarbeitet“ werden. Nicht alle Menschen nehmen sich dafür die Zeit.

Die Friedens- und Antikriegsbewegungen gehen zu Ostern und zum Antikriegstag, dem 1. September, seit Jahren auf die Straße: Gegen Atomwaffen, gegen den Vietnamkrieg, gegen die Stationierung von Pershing 2 und Cruise Missile, gegen den Angriffskrieg der NATO auf Jugoslawien – um nur sehr wenige Gründe zu nennen, gegen die menschenverachtende Kriegspolitik zu protestieren.

Russland hat in den letzten Jahren immer häufiger mit Beteiligungen an Kriegen seinen imperialen Weltmachtanspruch gezeigt: in Syrien, Mali, Kongo, Sudan, Libyen ....
Wir haben es gesehen und dennoch die dahinter stehenden imperialistischen Ziele Russlands nicht verstanden, vielleicht nicht verstehen wollen.

Nicht für möglich gehalten habe ich selbst, auch als Antifaschistin, dass ein Präsident und die Regierung des Landes, deren Soldaten uns 1945 von Faschismus und Krieg befreit haben, es wagt ein anderes Land zu überfallen.

Aber ich sage deutlich: Den Krieg Russlands gegen die Ukraine verurteile ich!
Es gibt keine Erklärung, keine Geschichte, keine Vergangenheit, die diesen Krieg rechtfertigt.
Der sofortige Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine ist das Gebot der Stunde!
Wenn das Blutvergießen beendet werden soll, muss der Platz beider Seiten am Verhandlungstisch sein!

  • Meine Solidarität gilt der Zivilbevölkerung, die am stärksten vom Krieg betroffen ist!

  • Meine Solidarität gilt den Menschen und politischen Kräften in der Ukraine und in Russland, die für

    den Frieden kämpfen und in beiden Ländern den Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine fordern und deren Stimmen in beiden Ländern, teilweise mit Gewalt, an vielen Orten unterdrückt werden.

  • Die Solidarität gehört denen, die trotz des völkerrechtswidrigen Putin-Krieges gegen die Ukraine, in beiden Ländern die Forderung nach einer ernsthaften Rückkehr an den Verhandlungstisch stellen und dies als einzige Chance für einen Frieden sehen.

    In solchen Verhandlungen muss dann auch die Vorgeschichte und die Ursachen des Konflikts beleuchtet werden. Daraus muss eine Lehre gezogen werden, auch die, die lautet: Wenn Verträge zur Sicherheit der Menschen und der Grenzen geschlossen wurden, dann müssen sie eingehalten werden! Rückblickend zählen dazu der Verzicht der Osterweiterung der NATO und das Minsk II – Abkommen.

    „Als marxistische linke setzen wir uns dafür ein, dass die im Entstehen begriffene neue multipolare Weltordnung sich nur auf der Anerkennung der universellen Gültigkeit der Menschenrechte und der
    Charta der Vereinten Nationen sowie internationalen Konventionen wie der Schlussakte von Helsinki oder der Charta von Paris vollziehen darf. Wir wenden uns gegen gefährliches Hegemonialstreben und gegen das globale Wettrüsten, das nicht nur reale Kriegsgefahren mit sich bringt, sondern auch Ressourcen bindet, die zur Bearbeitung der globalen Menschheitsfragen – des Hungers und der sozialen Frage, der laufenden Klimakatastrophe – dringend gebraucht werden.“
    (Erklärung der marxistischen linke vom 6. März 2022)

Beispiele, dass Frieden nicht herbeigebombt werden kann, gibt es genug.

  • In Afghanistan starben Hunderttausende. Die deutsche Regierung meinte „unsere Freiheit am Hindukush“ zu verteidigen. Hinterlassen wurde ein verwüstetes Land, Menschenrechte dort – Fehlanzeige.

  • Das NATO-Mitglied Türkei bombt im Windschatten des Krieges in der Ukraine die selbstverwalteten Gebiete in Nord- und Ostsyrien und im Norden des Irak.

  • Im Jemen wird seit 2015 die Zivilbevölkerung von Saudi-Arabien bombardiert – mit Waffen aus den USA und Deutschland. Diese Liste lässt sich fortsetzen:

  • Ukraine, Jemen, Syrien, Irak, Afghanistan, Somalia, Südsudan, Mali, ...:
    So gesehen ist jeder Krieg ein Weltkrieg für die Menschen, deren Welt zerstört wird.
    Deshalb: Wenn wir in kriegerischen Konflikten Partei ergreifen, dann vor allem: 
    für den Frieden.

    Frieden schaffen ohne Waffen – das war die Losung, unter der Petra Kelly und Gerd Bastian mit Mitgliedern der Grünen in den 80er Jahren demonstriert haben. Gemeinsam mit Hunderttausenden für Abrüstung.
    Und heute? Die Grünen Annalena Baerbock und Robert Habeck fordern „schwere Waffen“ für die Ukraine. Ich bin dagegen!

    Ich war und bin keine Pazifistin. Aber ich bin gegen die Geschäfte und den Profit, der mit Kriegen gemacht wird. Ich bin für das Leben und Überleben der Menschen. Deshalb bin ich gegen Militarisierung und Krieg.

    Die Ampelregierung hat für 2022 mehr als 50 Milliarden für die Rüstung eingeplant und will dies nun mit 100 Milliarden „Sondervermögen“ aufstocken. Besonders brisant: für die jährlichen 2% des Bruttoinlandproduktes soll das Grundgesetz geändert werden.
    Da gibt es nur eins: Sagt NEIN!

    Die Erhöhung des Rüstungsetat und Rüstungsexporte werden keinen Frieden schaffen! Die Aktienkurse der Waffenindustrie gehen in die Höhe.
    Internationale Spannungen verschärfen sich, die Gefahr eines Weltkrieges rückt näher.

    Dem müssen wir gemeinsam begegnen. Nicht mit Waffen, sondern mit gemeinsamen Forderungen, gemeinsamen Aktionen dem Wahn der Aufrüstung, der Forderung nach „schweren Waffenlieferungen“ Einhalt gebieten.
    Wir sollten auch denen zuhören und gemeinsame Sache für den Frieden machen, die vielleicht nicht zu den ersten politischen Freund*innen gehören.

    Mich überrascht, die seit langer Zeit gar nicht mehr von mir geschätzte, Alice Schwarzer:
    „...Die Bilder der zerstörten Städte und Massaker (...) kaum zu ertragen. Wer sind die Täter? Wohl neben russischen Soldaten ebenso tschetschenische Söldner. Aber auch ukrainischen Soldaten wurde schon die gezielte Tötung russischer Gefangener nachgewiesen. Krieg ist Krieg.“ weiter: „Schon jetzt bastelt auch Deutschland an einem militärischen „Sicherheitsschirm“, (...) gleichzeitig hören forsche, so genannt kritische JournalistInnen nicht auf, von den PolitikerInnen zu fordern: Mehr Waffen für die Ukraine! (...)
    Heute scheint Putin nicht mehr erreichbar. Und das ist nicht nur für die Ukraine der Horror. Es zieht auch Russland in den Abgrund. Und es bedroht den Westen. Es gibt darum nur einen Weg: Verhandeln. Jetzt!“

    Auch Ralf Stegner, SPD, mahnt angesichts der Forderung nach Lieferung schwerer Waffen seine Parteifreund*innen: "Diese Position entspricht nicht dem, was in der SPD oder der Ampel bislang vereinbart worden ist." Und er stellt auch fest: "Was Reinhard Bütikofer oder Volker Beck sagen, es gehe jetzt nicht mehr um die besseren Argumente, sondern darum, auf der richtigen Seite zu stehen, halte ich für gefährlich. Wir schlittern in eine Kriegsrhetorik hinein, wo es für alles nur noch militärische Lösungen gibt." Stärken wir die Vernunft und die Zweifel gegen Rüstung, die es bei vielen Menschen gibt. Suchen wir die Zusammenarbeit gegen den Krieg!

  • Mit Kriegsrhetorik wird die Solidarität mit allen Geflüchteten weiter gespalten nach deren Herkunftsland, Geschlecht, Alter.

  • Mit Kriegsrhetorik werden Verhandlungen der Regierungen der Ukraine und Russlands zum

Scheitern verurteilt sein.

  • Kriegsrhetorik stärkt die faschistischen Organisationen in Deutschland, in Russland, in der Ukraine.

  • Mit Kriegsrhetorik profitiert die Rüstungsindustrie, wie hier in Kiel und Bundeswehrstandorte wie in

    Schleswig-Holstein werden noch tiefer in die Kriege verwickelt.

  • Mit Kriegsrhetorik wird das Grundgesetz geändert, werden die Milliarden in die Rüstung gesteckt,

    die besser für ein Gesundheitssystem, eine Reform der Renten- und Sozialleistungen, den sozial- ökologischen Umbau der Wirtschaft, dem Stopp des Klimawandels und der Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen sowie zur Überwindung der globalen Armut eingesetzt werden sollten.

    Widersetzen wir uns!
    Heute geht es darum gemeinsam zu sagen:
    Die Waffen nieder! Nein zum Krieg! Verhandeln jetzt!

 

Dr. med. Mechthild Klingenburg-Vogel, IPPNW Kiel:

Liebe um den Frieden Besorgte!
Der Krieg in der Ukraine erschüttert uns hier in Deutschland mehr als andere Kriege in der Welt. Nicht, weil er der erste Krieg in Europa nach 1945 wäre, – dem ist nicht so: 1999 gab es den Kosovokrieg der NATO gegen Serbien –, sondern weil wir uns offensichtlich hier stärker in das Leid der von den furchtbaren Zerstörungen betroffenen Menschen einfühlen können. Dies löst eine überwältigende Welle großer Hilfsbereitschaft und Solidarität aus.

Als Mutter zerreißt es mir das Herz, wenn ich an den Tod, an die Verkrüppelung und Beschädigung von so viel hoffnungsvollem Leben, von so viel hoffnungsvoller Zukunft denke! Oder wenn ich mich in die Not von Müttern mit ihren Kindern einfühle, die fluchtartig alles Vertraute und Liebe zurücklassen mussten.
Die erschütternden Bilder über die Kriegsgräuel lösen heftige Empörung und den Ruf nach Gegenwehr, nach immer mehr Waffen für die mutigen Verteidiger aus. Diese Bilder führen zu heftiger Emotionalisierung, - das ist auch ihr Zweck. Diese Emotionalisierung fordert schnelles Handeln, eine „Zeitenwende“ in der bisherigen Überzeugung, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern, da dadurch Kriege nur verlängert werden.
Aber kann man die Menschen in der Ukraine ungeschützt dem russischen Angriff ausgeliefert lassen? Wäre das nicht „unterlassene Hilfeleistung“?

In diesem furchtbaren Dilemma beobachte ich eine besorgniserregende Spaltung in ein entlastendes Schwarz-Weiß und Freund-Feind-Denken, das sogar persönliche Beziehungen zerbrechen lässt.
Es scheint so ein gutes, beruhigendes Gefühl, auf der Seite der moralisch „Guten“ zu sein, derer, die sich im Recht fühlen und die Putin als Inkarnation des Bösen und mit ihm häufig „die Russen“ als barbarisch verteufeln. - Können wir im Westen uns wirklich auf so ein moralisch hohes Ross setzen? Das Wissen um von der eigenen Seite begangene, das Völkerrecht missachtende Kriege und Kriegsverbrechen schmälert doch in keiner Weise die Verurteilung russischer Kriegsverbrechen.

Ist jede Frage, die die Ursachen dieser Entwicklung verstehen will, nach möglichen früheren Weichenstellungen für Alternativen sucht, Verrat an den Opfern dieses eindeutig völkerrechtswidrigen Angriffskrieges? Man gerät damit in Gefahr als „Putin-Versteher“ diffamiert und ausgegrenzt zu werden.
- Mischen sich in diese heftigen antirussischen Gefühle eventuell alte, uns von den Eltern und Großeltern vererbte Ängste vor „den Russen“?
Ängste, die aus der kollektiven Traumatisierung durch schreckliche Erfahrungen beim Vormarsch der Roten Armee 1945 stammen und die das von deutschen Truppen beim Angiffskrieg 1941 den Menschen in der Sowjetunion zugefügte und wenig öffentlich anerkannte, unermessliche Leid übertönen und vergessen lassen sollen. Dürfen sich diese Ängste aus unserer kollektiven Traumatisierung jetzt als Russlandhass in die Empörung über diesen Krieg mischen?
In den Diskussionen und Stellungnahmen zeigt sich eine beunruhigende Militarisierung und Verrohung der Sprache. Es wird auch verbal hochgerüstet!

Wir müssen uns aber trotzdem zumuten, unterschiedliche Perspektiven und widersprüchliche Überlegungen auszuhalten, uns den Diskussions- und den Denkraum offen halten. Wir müssen uns Zweifel und Verunsicherungen zugestehen und die Spannung aus widersprüchlichen Informationen nicht durch schnelle Entweder-Oder-Entscheidungen lösen

Die Veröffentlichung einer Arbeitsgruppe der Ev. Landeskirche in Baden trägt den Titel: „Sicherheit neu denken. - Von der militärischen zur zivilen Sicherheitslogik“. Darin wird eine andersartige Zeitenwende durch eine Zukunftsperspektive entworfen, in der Deutschland statt weiter in Rüstung

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vor allem in die zivile Konflikttransformation investiert und dafür mehr und mehr als Konfliktmediator international anerkannt wird. Ist dieser Traum von einer zivilen Friedenssicherung jetzt geplatzt wie eine utopische Seifenblase?

Wie viele in der Friedensbewegung fühlte ich mich durch den russischen Angriffskrieg überrumpelt und in meinen pazifistischen Überzeugungen verunsichert.
Immerhin steht gewaltfreier Widerstand aber doch dafür, dass er nicht nur deutlich weniger Opfer fordert als militärischer Widerstand, sondern auch, dass gewaltfreier Widerstand und soziale Verteidigung nachhaltiger und erfolgreicher sind! Auch gegen einen autokratischen Despoten sei gewaltfreier Widerstand möglich und erfolgreich, vertritt der Friedensforscher Olaf Müller?
Was das für die Ukraine bedeutet hätte, wissen wir nicht. Die Ukraine hat von ihrem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht, das ihr laut UNO-Charta zusteht. Jetzt herrscht dort ein furchtbarer Krieg!
Es ist nachvollziehbar, dass, wenn man mit Gewalt angegriffen wird, man sich mit Gewalt wehren will. Haben also die Abschreckungsbefürworter, diejenigen, die jetzt Aufrüstung fordern, doch Recht, dass es gegen einen aggressiven Gegner eine Politik der Stärke durch Abschreckung braucht? Jedenfalls bestimmen sie derzeit die öffentliche Meinung und das politische Handeln.
Die Friedensbewegung schreit NEIN! STOPPT dieses sinnlose Blutvergießen! Ist das naiv?
Nein! Angesichts der Verwundbarkeit unserer Infrastruktur und insbesondere im Zeitalter eines drohenden Atomkriegs darf Krieg kein Mittel der Politik mehr sein! Wir wollen nicht das Schlachtfeld von Kämpfen um Dominanz, um geopolitische Einflussbereiche und wirtschaftliche Macht sein! Menschen sind keine Schachfiguren!
Der Verlauf eines Krieges ist nie vorhersehbar, je länger er dauert, umso mehr droht er zu eskalieren und immer brutaler zu werden. Auch wenn wir in diesem David-gegen-Goliath-Kampf auf der Seite der Angegriffenen, der Ukraine, sind, was passiert, falls Putin - in die Enge getrieben - zum Äußersten greift? Wenn er die - verharmlosend - als „klein“ bezeichneten, strategischen Atombomben einsetzen würde? Oder wenn es in dieser angespannten Situation zu einer Fehleinschätzung und zum fatalen Druck auf den roten Knopf käme? Zu einem „Atomkrieg aus Versehen“ – wie es um Haaresbreite mehrere Male in der Zeit des Kalten Krieges fast passiert wäre! Oder wenn eine False-Flag-Aktion diese Gefahr vortäuschen würde, um einen Gegenschlag auszulösen? Käme es dann zum atomaren Schlagabtausch?
Ist den Befürwortern der deutschen nuklearen Teilhabe die Konsequenz klar, dass Deutschland als Atomraketenbasis, als wichtiges Kommando- und Versorgungszentrum, zum atomaren Schlachtfeld werden würde? Haben diese neuen Kalten Krieger trotz ihrem ideologisch eingeschränkten Denkraum noch genügend Vorstellungskraft, um sich auszumalen, was das bedeuten würde? Deshalb fordern wir: Atomwaffen müssen geächtet werden, wie es der Atomwaffenverbotsvertrag fordert. Die US-Atomwaffen müssen aus Büchel abgezogen werden.
Und wir brauchen wieder neue Abrüstungsverträge und vertrauensbildende Maßnahmen!
Der Rüstungswettlauf verschlingt Unsummen an Mitteln, die dringend für die Lösung globaler Probleme gebraucht würden. Wir können uns angesichts der drohenden Klimakatastrophe einfach keinen Krieg mehr leisten! Militär und Rüstungsindustrie sind massivste Klimakiller! - Nur ein einziger Panzer verbraucht 100 mal so viel Treibstoff wie ein PKW! - Und der Wiederaufbau der Zerstörungen verschlingt wertvolle Ressourcen und verursacht Unmengen an CO2!
Dabei bräuchten wir alle kreative Kraft und gemeinsame globale Anstrengungen, um die unaufhörlich drohender werdende Klimakatastrophe abzumildern!
Klimapolitik ist Friedenspolitik!
So wie in der Ukraine nach unsagbar vielen Toten, nach Traumatisierungen eines ganzen Volkes und nach schrecklichen Zerstörungen bei einem hoffentlich bald möglichen Waffenstillstand evtl. Lösungen gefunden werden, wie sie ähnlich das Minsk-II-Abkommen bereits vorsah, so frage ich mich, müssen auch wir erst durch schreckliche Schäden endlich klug werden?
Wir als Vernunft-begabte Menschen sollten doch denkend die Konsequenzen unseres Handelns vorhersehen. Deshalb sollten wir alles in unserer Macht stehende tun, um Versuche, durch Krieg Entwicklungen herbei zu bomben, zu verhindern!

 
Martin, SDAJ Kiel:

Als Jugendlicher habe ich am Modell Europa Parlament teilgenommen. Man spielt dort Delegierter, sitzt in Ausschüssen im Bundesrat und spielt Europa. Ich hab mich damals nicht als Deutscher, sondern als Europäer bezeichnet. DAS Friedensprojekt des Jahrhunderts. Darauf war ich damals echt stolz.

Heute schäme ich mich. Und ich hab Angst. Scham wegen der Kriegstreiber der europäischen, allen voran der deutschen, Politik. Angst wegen der massiven Aufrüstung der NATO-Staaten und Russlands; Scham, weil nichts dafür getan wurde das Feindbild des „bösen Russen“ aus den Köpfen zu bekommen. Angst wegen der Atombomben, Angst wegen unser aller Zukunft.

Und ich bin wütend. Wütend auf Russland, weil sie einmarschiert sind; Wütend auf die NATO, die mit der Osterweiterung den Grundstein dieses Krieges gelegt hat; wütend auf Deutsch­land, das die eigenen Gesetze über Bord wirft um Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern. Wütend, dass die Bildungsministerin möchte, dass Bundeswehroffiziere an Schulen den russisch-ukrainischen Krieg erklären.

Und zu guter letzt bin ich frustriert. Frustriert, weil ich mich frage, wie Menschen in prekären Verhältnissen mit steigenden Lebensmittelpreisen und Energiekosten umgehen sollen. Frustriert weil so viele Menschen die Geschichte des Ost-West-Konflikts vergessen und nur der letzte Teil, der russische Angriff auf die Ukraine, Beachtung findet. Das Neonazi-Batallion Asow der ukrainischen Armee, der praktisch völkerrechtswidrige Angriffskrieg der NATO auf Jugoslawien 99 - so etwas passt nicht ins Narrativ. Statt dessen soll der isolierte „Irre Putin“ Schuld an allem sein.

Angst, Wut und Frustration – diese Gefühle kennt ihr sicher alle, wenn ihr an Krieg denkt. In einem Punkt aber können wir uns sicher sein: Dieser Krieg ist ein Krieg des Imperialismus'. Es ist ein Ringen um Einfluss­sphären und Absatzmärkte. Und noch etwas wissen wir: Am meisten leiden die einfachen Arbeiter*innen und die Menschen in prekären Verhältnissen. Wir leiden sowieso schon unter den Folgen der Klimakrise. Nun leiden wir auch noch unter den steigenden Spritpreisen und Energiekosten. Wir leiden unter über 7% Inflation – bei gleichbleibenden Löhnen. Wir leiden, und der Regierung fällt nichts besseres ein, als 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr zu pumpen. Wenn zwei sich streiten, freut sich die Rüstungsindustrie.

Und uns in Deutschland geht es ja noch gut. 12% der weltweit verzehrten Kalorien stammen aus der Ukraine und Russland. Wir in Deutschland importieren unseren Weizen dann einfach von woanders. Nigeria oder Somalia können das nicht. Die Welt leidet unter diesem Krieg. Die Welt leidet unter dem Imperialismus. Das muss ein Ende haben! Wir alle müssen dem ein Ende setzen!

Und deshalb starten wir, die SDAJ, unsere Kampagne mit dem Titel „Wir wollen Frieden – Nein zur Aufrüstung!“. Wir fordern:
Sozialpolitik statt Aufrüstung!
Humanitäre Hilfe statt Waffenexporte!
Stopp der Sanktionen gegen Russland!
Stopp der NATO-Osterweiterung!
Wiederaufnahme der Diplomatie mit Russland!
Und vor allem: Nein zum Krieg und nieder mit den Waffen!

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